Droht ein Locked-In durch omnipräsentes Gaming?

am Mittwoch, 19 November 2014.

Dass insbesondere die um die Jahrtausendwende Geborenen zu einer mit (digitalen) Spielen sozialisierten Generation mit entsprechenden mentalen, emotionalen, motivationalen und behavioralen Prägungen gehören, ist trivial festzustellen. Weniger trivial sind wahrscheinliche Auswirkungen, die in die Frage münden, ob wir auf eine Entwicklung hinlaufen und sie befördern, die im Locked-In-Syndrom endet.

Eingedenk der Ausgefeiltheit von insbesondere den Spielarten der Pervasive Games (v.a. Augmented Reality Games, Alternate Reality Games, Serious Alternate Reality Games) und der Formel „This is not a Game Ästhetik: TINAG-Ästhetik“, die beide auf die Ununterscheidbarkeit realer und virtueller Realität bzw. deren Erleben zielen (Immersion, Expansion des Magic Circle), kann von einer imperialistischen Tendenz von Mixed Games gesprochen werden. Die Eroberung läuft bereits auf Hochtouren – gefördert nicht nur von Game-Entwicklern und –spielern, sondern auch von Forschern und Weiterbildnern und bildungspolitisch Aktiven.

Spätestens jetzt muss eine Fragestellung dringlich kritisch und seriös abgehandelt werden: Welche hoffnungsfrohen Annahmen seitens der Game-Euphoriker können wissenschaftlich belegt werden? In Rede stehen vor allem bis dato behauptete Lerneffekte, die der lerntheoretischen Fundierung harren. Wenn also etwas gelernt wird, dann muss destilliert werden, was und was nicht – und wie sich dies verhält zu Fähig- und Fertigkeiten außerhalb des Spielkontextes bzw. zur Transfer- und Ergänzungsfrage.

Die Transferfrage: Was von dem in der Regel implizit Gelerntem wird auf andere a) Spiel- und b) Nicht-Spielkontexte „automatisch“, „intuitiv“ (wie behauptet wird) transferiert? Bisher ist empirisch nur klar: Transfer braucht zusätzliche Lehr-Lernschleifen und intensive Betreuung!

Die Ergänzungsfrage: Was muss ergänzend gelehrt/ gelernt werden, um die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, gesellschaftliche bzw., eine Ebene tiefer: organisationale Gestaltungsverantwortung zu übernehmen? Etwa in Organisationen, Institutionen, Unternehmen? Bisher ist nur klar: Sie benötigen Nachhilfe-Unterricht, sowohl in Bezug auf Meta-Fertigkeiten wie Lernen lernen als auch in Bezug auf operationale Fertigkeiten, die zuweilen bereits bei basalen Fertigkeiten beginnen wie ein auf Verstehen zielendes Lesen und Beurteilen eines Textes.

Die Fragestellung ist erweiterbar über die Zukunftsfähigkeit von Organisationen hinaus zu etwa derjenigen demokratisch verfasster Gesellschaften.

Viel wäre gewonnen, wenn Forschung sich diesen Fragestellungen mehr als bisher widmete, anstatt auf das Generieren immer ausgefeilterer Geschäftsmodelle zu setzen; viel wäre auch gewonnen, wenn mehr als bisher kritische Stimmen hörbar würden, um das dialektische Moment und damit auch die „Schattenseiten“ der Entwicklung herauszuschälen – durchaus mit dem Projekt einer Synthese.

Dr. Regina Mahlmann
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