Passungs-Modell

am Mittwoch, 30 Januar 2019.

Passungsmatrix: Modell für Stellen- und Funktionsbesetzung
Stellen neu zu besetzen, gehört zum unternehmerischen Alltag und ist dennoch keine Trivialität, insbesondere dann nicht, wenn aus dem vorhandenen personellen Pool gewählt werden soll. Ob von außen oder intern: Rekrutierung oder Auswahl von Personen für eine Stelle und Funktion gehört zu den nachhaltigsten Maßnahmen im Unternehmen. Grund genug, um einen Hinweis zu geben, wie sich Fehlbesetzungen zumindest verringern lassen.

Personaler versus apersonaler Ansatz
Die Suche nach Kandidaten beginnt in der Regel mit einem schweifenden Blick über die vorhandenen Personen: „Wer kann das machen?“ Der Fokus liegt auf Personen, die man sucht, und weniger auf Qualifikationen, die benötigt werden. Daher sollten der Frage nach dem Wer zwei Überlegungen vorgeschaltet werden: „Welche Anforderungen definiert die Stelle/Funktion?“ – danach: „Was genau braucht folglich eine Person, die diese Stelle besetzt?“ Erst der dritte Schritt schlägt den Weg zu konkreten Kandidaten ein.

Preis des Personfokus
Der Unterschied in der Vorgehensweise besteht darin, dass der Personenfokus nicht nur den Blick einengt, sondern auch das Anforderungs- und damit das Stellenprofil mehr oder weniger schleichend verändert. Man schaut auf das, was vorhanden ist und nimmt dies als Referenzgröße. Die praktisch zu beobachtende Folge ist, dass das Anforderungs- und Qualifikationsspektrum (sofern es überhaupt ausbuchstabiert wurde) justiert werden. Die gängige Aussage dazu: „Wir müssen gucken, wen wir haben und dann eben die Anforderungen und Aufgaben an das anpassen, was der Mitarbeiter leisten kann.“

Diese Anpassungen verwässern Stellenwert und Wirkmacht der Funktion/Stelle, weil sie sich von dem entfernen, was ursprünglich und mit guten Argumenten mit der Stelle funktional verknüpft war. Eine ursprünglich hoch gehängte, weil für ein Geschäftsmodell erfolgskritische Stelle/ Funktion kann bis in die Bedeutungslosigkeit absinken, während Personen/ Bereiche aus anderen Gefilden der Organisation, die an diesem Geschäftsmodell hängen, sich darum bemühen, die erfolgskritischen Beiträge anderweitig zu realisieren oder zu erhalten. Verwässerungen haben also mehr oder minder improvisierte Kompensationsaktivitäten an anderen Stellen zur Folge, was wiederum Mehrkosten im weitesten Sinn verursacht.

Neben dem Blick auf „das, was wir an Personal haben“, spielen im Dunstkreis des personalen Ansatzes psychologische Aspekte eine ausschlaggebende Rolle, insbesondere Erwägungen, die als Rücksichtnahmen gelten und unter dem Vorzeichen von Konfliktvermeidung stehen. Typischerweise wird der Kreis von Kandidaten auf Aspekte hin befragt wie: Wer ist jetzt mal dran mit einem Wechsel? Wer meldet sich schon länger für einen Wechsel? Wen müssen wir unbedingt halten – und könnten es mit dem Angebot, diese Stelle zu übernehmen? Das Motiv der Vermeidung von Zusatzaufwand und Konflikten offenbaren Formulierungen wie: „Unruhe vermeiden“, „bloß keine neue Baustelle!“ (Selbstschutz), „erstmal die vorhandenen Leute einsetzen, bevor man neue sucht“ (Fürsorge, Förderung, Prostestprophylaxe), „vorhandene Leute kenne ich; da weiß ich, woran ich bin und worauf ich achten muss“ (Annahme von Führungserleichterung).

Zunehmend gesellen sich Überlegungen hinzu, die mit der Stelle selbst nichts zu tun haben, die Auswahl indes durchaus verkomplizieren und zeitlich verzögern. Die Rede ist von mehr oder weniger expliziten Proporzfragen im Rahmen der so genannten politischen und moralischen Korrektheit, z.B. biologisches und soziales Geschlecht, Herkunft, Alter, Zugehörigkeit zu Minder- oder Mehrheiten und dergleichen.

Die genannten Gesichtspunkte des personalen Ansatzes führen vom geforderten Anforderungs-, Qualifikations-, Leistungsprofil der Stelle eher weg. Erfahrungsgemäß führt dieses Vorgehen dazu, dass „um die Person herum gebaut“ wird, also die Funktion, das Stellenprofil der Person angepasst wird, auf Kosten dessen, was „eigentlich“ erforderlich wäre. Diese Praxis der Personalisierung eines Stellenprofils mündet nach einer Weile in die Auffassung, die Person sei „auf dem Posten nicht ersetzbar“. Nun ja, das ist tautologisch. Denn man hat ja die Stelle so gebaut, dass sie zur Person passt. Diese Falle der Personalisierung sollte bestenfalls eine Ausnahme sein. Analog zu Standards leistet der Primat des Anforderungsprofils unternehmerisch überlebenswichtige Unabhängigkeit und Austauschbarkeit von Personen.

Die Erfahrung zeigt, dass ein personzentriertes Zuschneiden ein risikovolles Vorgehen ist, da sich zwischen dem, was die Stelle verlangt, und dem, was die Person bietet, ein Delta auftut und der Beitrag, der ursprünglich mit der Stelle verknüpft wurde, nur eingeschränkt geleistet wird – mit den gerade benannten sowie weiteren Folgen für unternehmerischen Erfolg. Dies gilt in dramatischer Weise für die Besetzung von Schlüsselfunktionen.

Der Personenprimat steht mit der Vernachlässigung der Dimension von Passung von Anforderung und Eignung im Zeichen der Annahme (Überzeugung), die „Performance“ wachse mit der Praxis. Das mag sein – oder auch nicht. Das mit dieser pädagogischen Haltung verbundene Risiko – übrigens für beide Seiten - kann reduziert werden, sobald die Reihenfolge der Suchschritte geändert wird und die Suche dadurch einen veränderten Akzent erhält.

Nutzen des apersonalen Ansatzes
Das Gelingen einer Stellenbesetzung in dem Sinn, dass die Anforderungen erfüllt werden, hängt entscheidend davon ab, dass diese und Passungsfaktoren sorgfältig herausgearbeitet werden, einschließlich der Begründung. Erfordernisse, Anforderungen und persönliche Leistung/ Leistbarkeit müssen in dem spezifischen Umfeld zusammenpassen.

Dies schließt – das wird häufig vernachlässigt – die Prüfung ein, welche Voraussetzungen ein Kandidat mitbringen muss, um in dem Stellenkontext (Umfeld) erfolgreich sein zu können. Der Stellenkontext berührt nicht nur Rahmenbedingungen für operative Sachbeiträge (Infrastruktur, Strukturen, Prozesse), sondern auch persönliche (Optionen zum Lernen und für Selbstwirksamkeit) und soziale (Kommunikation, Interaktion, Kooperation). Etwa die Frage, in welche Art Team der Kandidat hineinkommt. Dieses Zusammenpassen kann bedeuten: Ist ähnlich wie wir und verstärkt das, was uns erfolgreich macht. Oder: Ist anders, kann uns aber prima ergänzen („Synergien stemmen“). Das Repertoire des differenzierten Herausarbeitens von (Schlüssel-) Anforderungen umfasst sachlich-fachliche und methodische, persönliche und soziale Komponenten – und ihre Einbettung bzw. Eingebettetheit in den Stellenkontext.

Im Gegensatz zum personalen Verfahren priorisiert der apersonale Zugang das, was die Stelle (Funktion) erfordert und lenkt den primären Blick auf nötige Kompetenz (Fähigkeit, Potenzial), Performanz (gezeigtes Können, Wissen), Bereitschaft (Motivation, Verantwortungsübernahme). Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbesetzung sinkt, wenn als Ausgangspunkt geprüft wird, was mit der Stelle oder Funktion verknüpft ist und im zweiten Schritt geschaut wird, wer sie ausfüllen könnte.

Passungs-Modell
Ein einfaches, in der Praxis bewährtes Modell hilft auf diesem Weg: das Modell der Passung von Kompetenz, Performanz und Bereitschaften und Anforderungen innerhalb eines spezifischen Um- oder Wirkfeldes.

Anstatt von Modell kann auch von einer regulativen Idee gesprochen werden, die die Aufmerksamkeit lenkt. Die Idee ist simpel: Stellenbesetzungen werden an der Logik von Passung entlang geführt, die sich ihrerseits an den Anforderungen eines neuen oder maßgeblich veränderten Stellenprofils und seinem Umfeld orientiert. Passungsfaktoren sind in die Zukunftsperspektive sowie in die Strategie des Unternehmens eingebettet und liefern den Begründungskontext. Erst danach geht es um die Auswahl von Personen: Wer eignet sich und möchte auch?

Zur näheren Erläuterung für die Praxis können folgende leitende Fragen dienen:

  • Welche Qualifikationen, Bereitschaften (v.a. Lernen und Verantwortung übernehmen), Fertig- und Fähigkeiten (sachlich, fachlich, methodisch, persönlich, sozial), Neigungen benötigen wir im Bereich X für die Funktion (Stelle) Y im Hinblick auf welche Ziele und Zukunftsperspektive?
  • Wer von den vorhandenen Personen kann diese Anforderungen bereits erfüllen?
  •  Wer von den vorhandenen Personen kann welche Anforderungen teilweise erfüllen: welche erfüllen, welche nicht? Wo und worin besteht Unterstützungs-, Schulungs-, Nachbildungsbedarf - in welchem Ausmaß oder Grad?
  • Wer von den vorhandenen Personen hat (aufgrund welcher Indizien) in Bezug auf welche Anforderungen sowohl Neigung als auch Potenzial, das im Unternehmen und mit effektiver Unterstützung (Mentoring, interne, externe Weiterbildung, Coaching) innerhalb in etwa welchen Zeitraums entfaltet werden kann?
  • Wer von den ausgewählten Personen eignet weniger und welche mehr aus welchen Gründen?
  • In Bezug auf welche Funktionen/Stellen benötigen wir neues Personal?

Spezialfall Change Agents
Das Passungs-Modell hilft auch bei der Zuweisung von Funktionen, die nicht in der Linie verankert sein müssen. So im Fall von Wandlungsunterstützern, den Change Agents. Wer im Rahmen von Veränderungsprozessen auf der Suche nach Change Agents ist, profitiert ebenfalls von der Suchumkehr: erst definieren, was ein Change Agent in welchem Umfeld leisten soll, was sein Profil im Wirkumfeld ausmachen muss, um erfolgreich seine Funktion ausüben zu können – und erst dann konkrete Kandidaten erwägen. Da Change Agents insbesondere in sozialdynamischer Hinsicht wirkungsvoll sein müssen, werden die Anmerkungen zum Passungs-Modell um spezielle dafür relevante Punkte ergänzt.

Die Suche nach Change Agents bekommt eine spezielle Drehung, einen besonderen Akzent über die Grundfragen des Modells (Passung von Suchen und Finden) hinaus. Change Agents sind, knapp formuliert, Personen, die den angestrebten Wandel qua Funktion und Rolle (selten in der Linie ausgewiesen) massiv unterstützen und voranbringen. Es kann sich um Führungskräfte handeln oder um Personen, die als informelle Führer bekannt sind. Worauf es entscheidend ankommt, ist, dass sie auf andere Beteiligte und Betroffene prägenden Einfluss haben. Im Vordergrund stehen nicht fachliche Leistungen, sondern persönliche Wirksamkeit im Sinn der Beeinflussung, des Mitziehens und damit der Lokomotions- und Leadingfunktion. Sie werden häufig als charismatisch beschrieben und wirken daher auch transformational: Sie sorgen dafür, dass andere sich engagieren, in die gewünschte Richtung zu arbeiten.

Personen, die als Change Agents eingesetzt werden sollen, müssen nicht nur prägenden Einfluss auf andere Personen und Gruppen haben, sondern sind zudem idealerweise nicht beeinflussbar von jenen, die sich ohne belastbare Argumente gegen die Veränderung stellen. Vielmehr sind Change Agents in der Lage, Gegenwehr aufzunehmen, Widerständler und auch „Neutrale“ einzubinden. Ihre Aufgabe besteht darin, Motivation und Engagement für den Wandel zu erzeugen bzw. hoch zu halten, Opponenten, Gleichgültige und Begeisterte zusammenzubringen und in eine den Wandel nachweislich forcierende Verhaltensdynamik und Zusammenarbeit zu überführen.

Leitende Fragen sind:

  • Wo und wozu genau benötigen wir Change Agents?
  • Wer tut sich wo (egal ob für oder gegen die Veränderung) als informeller Leader hervor?
  • Mit welchen Befugnissen statten wir Change Agents aus? Wo sollen sie wirken (z.B. nur innerhalb einer Gruppe, einer Abteilung, übergreifend in Projektteams)?
  • Welche Personen eignen sich anhand welcher Indizien für die Rolle als Change Agents?
  • Welche davon möchten als Change Agents eingesetzt werden?
  • Sollen Change Agents formell in dieser Rolle inthronisiert werden oder sie informell ausüben?

Die eigentliche Arbeit der Besetzung von Stelle oder Funktion liegt darin, für die Passung von Anforderung und Kompetenz, Performanz, Bereitschaft im speziellen Umfeld zu sorgen. Das bedingt die intensive Beschäftigung mit der Funktion/ Stelle, ihrem Stellenwert, mit personellen Charakteristika und den Wirkoptionen im Handlungsumfeld sowie der nachvollziehbaren Einbettung der Maßnahme.

Dr. Regina Mahlmann
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